Gehirnumbau und emotionale Achterbahn

Elternabend zum Thema ‚Pubertät‘ für die Eltern der 6. bis  8. Klassen

In der Pubertät spielen nicht nur die Hormone verrückt. Neue Erkenntnisse über den Hirnumbau bei Jugendlichen liefern immer bessere Erklärungen für das in dieser Phase auftretende Verhalten: keine Lust mehr auf Schule, keinen ‚Bock‘ auf Klavierunterricht, keinen ‚Nerv‘ für Manieren, das Zimmer oft eine Sperrzone.
Im Gespräch mit dem Referenten Michael Naundorf, Dipl.-Sozialarbeiter bei der Lebensberatungsstelle in Wittlich, konnte  erarbeitet werden, was diese Phase  im Kern ausmacht:

  • Überprüfen und Reflexion des von den Eltern vermittelten Wertesystems auf seine Glaubwürdigkeit und Tragbarkeit hin
  • Suche nach einer eigenen Identität und einem neuen Selbstbewusstsein
  • Suche nach neuen Erfahrungen/ Gefühlen/ Gedanken
  • Suche nach einem neuen oder reflektierten Wertesystem
  • hormonelle Veränderungen/ Veränderungen im Gehirn

Vor allem letzterer Aspekt ermöglichte einen interessanten, auch für die Eltern ganz neuen Blick aufs Thema: Während der Pubertät komme es – so Michael Naundorf – zu einem tiefgreifenden neuronalen Umbau des Gehirns: Alte Verbindungen zwischen Nervenzellen würden gekappt, neue – so die Hirnforschung – aufgebaut. Dies führe dazu, dass Gehirnbereiche, die beim rationalen Abwägen beteiligt seien, z.T. „ausfielen“, weil im Umbau befindlich, und Gehirnregion, die Emotionen generierten, die Verhaltensteuerung übernähmen. Jugendliche lebten deshalb oft zu risikobereit, zu riskant, weil vielfach keine Verhaltenskompensation durch rationale Kräfte erfolge.

In Gehirnbereichen, die für komplexere geistige und emotionale Fähigkeiten –  etwa das Abspeichern von Informationen, die Entscheidungsfähigkeit und die Verhaltenskontrolle –  verantwortlich seien, nehme die Vernetzung der Synapsen  während des Gehirnumbaus in der Pubertät zu. Nicht zuletzt fördere diese Reifung die Fähigkeit zum abstrakten Denken. Das eröffne Jugendlichen neue Möglichkeiten und Interessen: Sie entdeckten oft – im besten Fall – für sich ein Interesse für vielfältige Themen ( Philosophie, Literatur und Musik …)  und begännen, sich zu ganz unterschiedlichen Themen eine eigene Meinung zu bilden, sich für Politik zu interessieren.
Durch die Vorverlegung der Pubertät müssten die Jugendlichen diese schwierige Phase heute jedoch mit viel weniger Lebenserfahrung ‚im Koffer‘ überstehen. Umso wichtiger sei es, in dieser Phase Verständnis für die eigenen Kinder aufzubringen, aber auch bei Fehlverhalten klar Grenzen aufzuzeigen. Dazu müssten Eltern ihre Erziehungsaufgabe erkennen und auch wahrnehmen:
„Seien Sie nicht jugendlicher als die Jugendlichen. Seien Sie ein Vorbild! Drängen Sie sich nicht auf, aber stehen Sie zur Verfügung. Trauen Sie Ihren Kindern etwas zu und fördern Sie sie. Seien Sie erwachsen, auch wenn sie dafür Provokation ernten. Ermöglichen Sie es ihrem Kind, ohne Gesichtsverlust Grenzüberschreitungen und Regelverstöße zu korrigieren, überhören Sie, was nicht unbedingt angesprochen werden muss, sprechen Sie mit Eltern, die auch Kinder in der Pubertät haben und die somit in einer vergleichbaren Situation sind, und mit solchen Eltern, die diese z.T. schwierige Zeiten hinter sich haben.“   Der kleine Verhaltensleitfaden beendet die Veranstaltung, die ganz offensichtlich das Interesse der anwesenden Eltern traf.

Die Veranstaltung machte vor allem klar, dass die Phase der Pubertät vom 11. bis etwa zum 17. Lebensjahr auch eine Chance bietet, ganz neu mit den eigenen Kindern in Kontakt zutreten, um diese auf ihrem ‚Abenteuer‘ der Pubertät ein stückweit zu begleiten. Die Grundlagen für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung einer guten Eltern-Kind-Beziehung seien jedoch schon vor der Pubertät angelegt. Sei diese Beziehung gefestigt und vertrauensvoll, dann könne – so Herr Naundorf – das Abenteuer ‚Pubertät‘ nur gelingen.

Literaturhinweise:

Baacke, Dieter, Die 13 – 18-Jährigen. Einführung in die Probleme des Jugendalters, 2003.

Bastian, Maike und Till, Die Angst der Eltern vor den Kindern, 2001.

Guggenbühl, Allan, Pubertät – echt ätzend. Gelassen durch schwierige Jahre, 2000.

Raffauf, Elisabeth, Das können doch nicht meine sein. Gelassen durch die Pubertät, 2000.

Schümann, Helmut,  Der Pubertist, 2005.

Internet:

www.planet-wissen.de : „Pubertät – Das Leben ist eine Baustelle“

www.fratz.at : allgemeine Infos zum Thema

http://www.lebensberatung.info/trier/