Leben und Werk des Nikolaus Cusanus
Nikolaus Cusanus wurde im Jahre 1401 im Moseldorf Kues als Sohn des Johann Krebs und seiner Frau Katharina, die aus Briedel stammte, geboren. Entsprechend der lateinischen Übersetzung seines Familiennamens und nach seinem Geburtsort nannte sich der junge Student „Nycolaus Cancer de Coesze“, wie es das Verzeichnis der Studenten der Universität Heidelberg für das Jahr 1416 ausweist.
Den Namen Cusanus gab ihm Enea Silvio Piccolomini, sein Freund aus gemeinsamen Studienjahren in Padua, der später unter dem Namen Pius H. Papst wurde.
Der Vater des Nikolaus Cusanus war ein wohlhabender Weingutsbesitzer, Schiffseigner und Handelsherr. Als freier Bürger des Dorfes Kues war er einer der drei Gerichtsschöffen, die das Dorf an das Hochgericht Bernkastel entsandte. Möglicherweise in der Hoffnung, ihn zu seinem Nachfolger machen zu können, hat Johann Krebs seinem Sohn eine für damalige Verhältnisse gediegene Ausbildung zuteil werden lassen. Konnte sich das schon damals nicht jeder leisten, so war der spätere Aufstieg seines Sohnes zum Kirchenfürsten ebenso ungewöhnlich, da dies nur Angehörigen adliger Familien möglich war.
1416: Studium an der Universität Heidelberg
Der 15-jährige Nikolaus ließ sich an der Universität Heidelberg als „cleric( us) trever( ensis) dyoc( esis)“ (Kleriker der Diözese Trier) einschreiben. Er hatte sich also für den Beruf eines Geistlichen entschieden.
Wer ihm das Latein, die Gelehrtensprache seiner Zeit, beigebracht hat, wissen wir nicht; vielleicht ein Priester seiner Heimat, vielleicht die „Brüder vom gemeinsamen Leben“, eine am christlichen Glauben ausgerichtete Gemeinschaft von Männern, die im holländischen Deventer eine Schule unterhielten.
In einem Jahr erwarb er in Heidelberg die ihm noch fehlenden Kenntnisse, die damals als Voraussetzung zur Aufnahme eines Spezialstudiums vorgeschrieben waren und von der Universität vermittelt wurden.
1417 -1423: Studium in Padua
Von Heidelberg aus ging Nikolaus Cusanus nach Italien, um an der Universität Padua die Rechte, insbesondere das Kirchenrecht zu studieren. Dieses Studium schloss er mit dem Grad eines Doktors ab.
In dieser Zeit gewann er viele Freunde, die später wichtige Positionen in der Kirche erreichten, so die späteren Päpste Nikolaus V. und Pius 11.
1425-1428: Studium in Köln
Seit Beendigung seiner Studien in Padua praktizierte Nikolaus Cusanus als Jurist und erstellte unter anderem Gutachten zu weltlichen und kirchlichen Problemen. Er stand dabei im Dienst des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Otto von Ziegenhain, der ihm auch sein erstes kirchliches Amt verlieh: die Pfarrei Altrich bei Wittlich. Zwar war Nikolaus noch kein Priester, aber einer Sitte der Zeit gemäß sicherte der Erzbischof auf diese Weise den Lebensunterhalt des jungen Gelehrten aus den Einkünften dieser Pfründe. Dieser ließ sich an der Universität Köln einschreiben, um Philosophie und Theologie zu studieren. Gleichzeitig hielt er Vorlesungen über Kirchenrecht. Den Seelsorgedienst in seiner Pfarrei verrichtete währenddessen ein Hilfsgeistlicher, den er zu besolden hatte.
Wie andere auch, besaß Nikolaus Cusanus nach und nach mehrere solcher Pfründe gleichzeitig. Die Einkünfte aus seinen zahlreichen kirchlichen Ämtern benutzte er aber nicht zur persönlichen Bereicherung, denn er lebte einfach und bedürfnislos. Seinen ganzen Besitz übertrug er seiner Stiftung, dem Armenhospital in Kues.
Bei der Begutachtung rechtlicher Problemfälle musste Nikolaus Cusanus alte Rechtsquellen studieren. Er entwickelte darin bald eine große Meisterschaft und wurde so zum Wegbereiter der historischen Kritik, einer wissenschaftlichen Methode. Mit ihrer Hilfe bewies er zum Beispiel die Unechtheit der .Konstantinischen Schenkung“, eines gefälschten Dokuments, mit dem die Päpste ihren Anspruch auf Vorherrschaft über alle weltlichen Mächte des Abendlandes begründeten.
Als Nikolaus Cusanus 1428 Köln verließ, hatte er sein Theologiestudium abgeschlossen. Er ließ sich aber erst in der Zeit zwischen 1436 und 1440 zum Priester weihen. Er wählte also, trotz seiner hohen wissenschaftlichen Begabung, nicht den Beruf eines Gelehrten an der Universität. Er stellte sich vielmehr in den Dienst der Kirche, in der er verschiedene Leitungsämter übernahm. Bei aller Beanspruchung durch diese fand er doch immer wieder Zeit zum Nachdenken und Schreiben und hinterließ eine Vielzahl wissenschaftlicher Veröffentlichungen historischer, mathematischer, naturwissenschaftlicher und theologischer Art. Dazu kommen etwa 300 Predigten, die Auskunft über seine seelsorgerischen Bemühungen geben.
1432-1437: Teilnahme am Konzil von Basel
Das Baseler Konzil hatte sich die Aufgabe der Reform der Kirche gestellt, ging es doch um eine klare Beschreibung der Rechte und Pflichten des Papstes, der Kardinäle und Bischöfe bei der Leitung der Kirche. Außerdem diskutierten die Konzilsteilnehmer die von reformfreudigen Gruppen in der Kirche aufgeworfenen Fragen des wahren Glaubens und der rechten Feier des Gottesdienstes.
Nikolaus Cusanus wirkte als hervorragender Fachmann für Kirchenrecht und als tief frommer Seelsorger engagiert mit an der Überwindung der gegensätzlichen Standpunkte und an der Erarbeitung brauchbarer Lösungen für die anstehenden Probleme.
1437-1438: Reise nach Konstantinopel
Kaum war das Konzil beendet, segelte Nikolaus Cusanus Anfang August 1437 an der Spitze einer päpstlichen Abordnung nach Konstantinopel, der Hauptstadt des oströmischen Kaiserreiches, die gleichzeitig Zentrum der von Rom getrennten griechischen Kirche war. Ziel der Reise war es, weltliches wie auch geistliches Oberhaupt jenes Kulturkreises – also Kaiser und Patriarch – nach Italien zu begleiten. Dort sollte ein neuerliches Konzil die Vereinigung der seit 1054 getrennten Kirchen herbeiführen. Erst im Februar 1438 kehrte Cusanus mit der griechischen Delegation zurück. Während des langen Aufenthaltes hat er die Ostkirche besser verstehen gelernt. Er schloss eine lebenslange Freundschaft mit dem griechischen Erzbischof Bessarion von Nicaea. Gleichzeitig wurde ihm in Konstantinopel, das von den muslimischen Türken bedroht war, deutlich die Existenz einer nichtchristlichen Religion vor Augen geführt.
Dies ließ Nikolaus Cusanus tief über die Wege Gottes zu den Menschen und die Wege der Menschen zu Gott nachdenken. Seine beiden Schriften „Sichtung des Korans“ und „Über den Frieden im Glauben“ sind Früchte dieses Nachdenkens und zeugen von einer großen Ehrfurcht vor der Religiosität anderer Glaubensgemeinschaften.
Am 4. Juli 1439 kam es in Florenz zur gewünschten Vereinigung der griechisch-orthodoxen mit der römischen Kirche. Diese Vereinigung erlangte aber keine Bedeutung für die Zukunft; ein großer Teil der östlichen Kirchenführer erkannte sie nicht an. Außerdem eroberten die Türken 1453 Konstantinopel, zerstörten damit das oströmische Reich endgültig und brachten die griechischorthodoxe Kirche in schlimme Bedrängnis.
1438-1447: Gesandter des Papstes
Eine Mehrheit des Baseler Konzils hatte Papst Eugen abgesetzt und einen Gegenpapst gewählt. Die deutschen Fürsten blieben bei dem Streit über die Rechtmäßigkeit des Papstes zunächst neutral. Im Auftrage Eugens eilte Nikolaus Cusanus aber von Reichstag zu Reichstag, um die Anerkennung der Legitimität dieses Papstes zu erreichen. Nach zehnjährigen Bemühungen endlich entschieden sich die Reichsfürsten 1447 in Aschaffenburg für Eugen IV. und machten damit der Kirchenspaltung ein Ende.
1450-1452: Päpstlicher Legat für die deutschen Lande
Nachdem Papst Nikolaus V. seinem alten Freund Nikolaus Cusanus den Kardinalshut überreicht hatte, ernannte er ihn auch zum Erzbischof von Brixen. Gleichzeitig schickte er ihn als seinen Botschafter auf eine fast zweijährige Rundreise durch Deutschland. Nikolaus Cusanus sollte die Kirche in Deutschland reformieren, was bedeutete, dass er Missstände beseitigen und die Menschen zu einem lebendigeren Glauben bewegen sollte.
Zahlreiche Urkunden, Verordnungen und Predigten zeugen von der unermüdlichen Tätigkeit des Kardinals während dieser großen Reise, die ihn von Rom bis an die Nordsee und von Trier bis nach Magdeburg durch einen Großteil Mitteleuropas führte.
Nach dieser Legationsreise konnte Nikolaus Cusanus seine Tätigkeit als Bischof von Brixen aufnehmen. Er widmete sich mit Hingabe seinem “ Hirtenamt, aber die Gegnerschaft des Tiroler Landesherren und vieler adliger Klosterinsassen, die sich gegen jede religiöse Erneuerung ihres oft genussorientierten Lebens wandten, erschwerten ihm die Arbeit. Im Jahre 1460 schließlich belagerte Herzog Sigismund den Bischof in dessen Stadt und Burg Bruneck und zwang ihn zur Kapitulation.
Schon ein Jahr vorher war Nikolaus Cusanus von seinem Freund Enea Silvio Piccolomini, seit 1458 als Pius H. auf dem päpstlichen Thron, zum Generalvikar für die Stadt Rom berufen worden. So verließ er sein Bistum Brixen und ging in die Ewige Stadt, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbrachte.
1450-1464: Kurienkardinal in Rom
Voll Tatkraft packte Nikolaus Cusanus seine neue Aufgabe an. Er entwarf den Plan einer gründlichen Reform der kirchlichen Leitungsstrukturen. Danach sollte auch der Papst der Aufsicht von Visitatoren unterstellt sein. Vertreter der Bistümer sollten als
ständig tagendes kleines Konzil mit dem Papst die Regierung der Kirche teilen und ein demokratisches Element verkörpern. Seine Reformpläne waren so weitgehend und der Widerstand der römischen Prälaten so groß, dass seine Absichten in der relativ kurzen Zeit, die Nikolaus Cusanus in seinem Amt vergönnt war, nicht verwirklicht werden konnten.
11. August 1464: Nikolaus Cusanus stirbt in der Stadt Todi in Umbrien
Auf einer Dienstreise nach Ancona erkrankte Nikolaus Cusanus schwer. In Todi musste er sich am 16. Juli 1464 legen; es wurde sein Sterbebett. Am 6. August machte er sein Testament und setzte sein Hospital in Kues zum Universalerben ein. So kam auch seine überaus kostbare Bibliothek an die Mosel. Sein Leib wurde in seiner römischen Titelkirche „Sankt Petrus zu den Ketten“ bestattet, sein Herz aber in der Kirche des St. Nikolaus-Hospitals in Kues beigesetzt.
Aus Hermann-Josef Scherl: Nikolaus von Kues 1401– 1464, Wittlich 2001, S. 4 – 10
Cusanus kennen und schätzen lernen: das Cusanus-Projekt (Projekttage im Juli 2016)
Nach Recherchen im Geburtshaus, im St. Nikolaus-Hospital, zudem in der beeindruckenden Bibliothek des Nikolaus Cusanus in Bernkastel-Kues war die fachliche Grundlage gelegt, um im Dialog mit Herrn Dr. Fechner und Prof. Dr. Schwaetzer, beide Dozenten an der Cusanus Hochschule in Bernkastel-Kues, das zusammengetragene Wissen über Nikolaus Cusanus zu sortieren, einzuordnen und zu diskutieren. Es entstand insgesamt das Bild eines Menschen, der doch recht moderne, damals z.T. gewagte Ideen vertrat. Heute wäre Cusanus wohl jemand, der sich für die Modernisierung der Kirche, für Sozialreformen, für Frieden und für die Toleranz unter Menschen und Religionen einsetzen würde. Auch das so genannte Globus-Spiel, das die Projektgruppe zusammen mit Christoph Schomann, Kunsterzieher und Student an der Cusanus Hochschule, spielen und gedanklich durchdringen konnte, macht Mut, sein Leben jeden Tag aktiv und immer wieder neu in die Hand zu nehmen und positiv zu gestalten.
Dank des großen Engagements von Nina Bohn, Franziska Faas, Sophie Heinzelmann, Katharina Knop und Kristin Lorig entstand die vorliegende Broschüre. Ein Besonderer Dank gilt Herrn Dr. Fechner, der der Gruppe die Recherche an den genannten Orten ermöglichte.