Pubertät: Hilfreiche Schutzfaktoren

Kompetent und umfassend informierte der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut Peter Brettle die anwesenden Eltern zum Thema „Pubertät“. Mit vielen Beispielen aus der eigenen Erfahrungspraxis veranschaulichte Herr Brettle zunächst den Begriff der Pubertät (Frühpubertät: 10-14 J., Spätpubertät: 14-20 J.), in deren Verlauf nicht nur körperliche und geschlechtliche Entwicklungsaufgaben bewältigt werden müssten, sondern zudem gesellschaftsadäquates Rollenverhalten von den Jugendlichen reflektiert und angeeignet werden müsse. Auch die Entwicklung von Ideen, wie die eigene Zukunft zu gestalten und was an Werten relevant ist, sei eine notwendige Entwicklungsaufgabe. Vor allem aber finde ein für die Persönlichkeitsentwicklung und Identitätsfindung unerlässlicher Ablöseprozess von den Eltern statt.

Auch auf Eltern kämen viele Herausforderungen zu: Werte, die Eltern vorgäben und im besten Fall auch vorlebten, würden von den eigenen Kindern einem „Praxistest“ unterzogen, „auf die Probe gestellt“, woraus sich notwendigerweise Konfliktfelder und Reibungspunkte ergäben. Nicht nur die Diskussion über Kleidung und Hygiene, Ausgehzeiten und Familienregeln, sondern vor allem das Infragestellen von allem, was bisher im familiären Kontext Gültigkeit hatte, enthalte Konfliktpotenzial. Das Vorhandensein und Austragen von Konflikten sei, so Herr Brettle, aber wichtig, damit Kinder eine eigene Persönlichkeit entwickeln könnten.

Absolute No-Gos in der Bewältigung dieser Konflikte seien aggressive Verhaltensweisen (Angriff- oder Verteidigungsstrategien, weil diese immer Verlierer und Gewinner produzierten und Reaktanz vonseiten der Jugendlichen zu erwarten sei), Nachgiebigkeit zur Vermeidung von Konflikten, weil Jugendliche dadurch ermuntert würden, ihre Forderungsgrenzen zu erweitern, oder gar das Aussitzen von Konflikten, weil Eltern Orientierung geben müssten. Absolut notwendig sei hingegen die Bereitschaft auf Elternseite, die Konflikte wirklich lösen zu wollen und bei Konflikten die Erstinitiative zur Konfliktlösung zu übernehmen, zudem die innere Haltung, Konflikte lösen zu können und die eigenen Kinder wirklich verstehen zu wollen. Eltern sollten sich auch von der Vorstellung „Dein Vorteil ist mein Nachteil“ verabschieden. Stabile Konfliktlösungen fänden zudem immer auf der Beziehungsebene statt: Wenn Kinder Wertschätzung (gerne auch einmal explizit ausgesprochen) und Ehrlichkeit erführen, dann bewirke das Konfliktlösungen, die lange Bestand hätten.

Jeder Konflikt sei, so der Referent, prinzipiell lösbar. Zentral dafür seien folgende Fähigkeiten und Haltungen: Selbstreflexion („Warum bin ich eigentlich so wütend?“), Aufrichtigkeit/Echtheit, das Durchdringen der Gesprächsoberfläche („Warum verhält sich mein Gegenüber eigentlich so?“), im Konflikt die Haltung des „aktiven Zuhörens“ einnehmen (Blickkontakt, offene Fragen stellen, auf den anderen eingehen), das Formulieren von Ich-Botschaften. Auch sollten sich Eltern ganz grundsätzlich im Klaren darüber sein, was sie als Verhaltenspunkte unumstößlich (als ein Muss), als weniger absolut (als ein Soll) oder als verhandelbar (als ein Kann) einstufen.

Gesprächsmuster wie etwa das folgende könnten beim Aushandeln von Kompromissen nach Konflikten hilfreich sein:
a) Was stört mich, was stört dich?
b) Was wünsche ich mir, was wünschst du dir?
c) Wie können wir das erreichen?
d) Wozu kann ich mich verpflichten, wozu kannst du dich verpflichten?

Gegen Ende des Vortrags nannte der Referent folgende Schutzfaktoren, mit denen Jugendliche gut durch die mitunter stürmische Zeit der Pubertät kommen könnten:

1. eine stabile emotionale Beziehung zu mindestens einem Elternteil oder einer anderen Bezugsperson
2. ein emotional positives, unterstützendes und strukturgebendes Erziehungsklima
3. Eltern als Rollenvorbilder für ein konstruktives Bewältigungsverhalten bei Belastungen
4. soziale Unterstützung durch Personen außerhalb der Familie
5. die Übernahme dosierter sozialer Verantwortlichkeiten
6. Temperamentsmerkmale wie Flexibilität und Annäherungstendenz (was bedeutet, sich zu trauen, bei Problemen und anderen Fragestellungen auf andere zuzugehen)
7. ein aktives und nicht nur reaktives oder vermeidendes Bewältigungsverhalten bei Belastungen (Bewusstheit von „Ich kann mir Hilfe holen.“)
8. Erfahrungen der Sinnhaftigkeit und Struktur in der eigenen Entwicklung
9. Erfahrungen der Selbstwirksamkeit und somit ein positives Selbstkonzept

Im Anschluss an den gelungenen Vortrag fand ein reger Austausch mit den vielen anwesenden Eltern statt, für den wir uns sehr bei den engagierten Eltern und vor allem bei Herrn Brettle und auch bei Herrn Surkus-Anzenhofer bedanken. Im Rahmen dieses Gesprächs wurden folgende Anlaufstellen für Eltern, die für sich und ihre Kinder eine Hilfestellung zum Thema brauchen, genannt:
. der ‚Patientenservice 116117‘ bei der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, über den sowohl telefonisch als auch online kurzfristige Notfalltermine bei niedergelassenen
Psychotherapeuten für Kinder und Jugendliche vergeben werden
. die Lebensberatung Wittlich
. die Beantragung einer Erziehungsbeistandsschaft bei der Kreisverwaltung/dem Jugendamt Wittlich im Krisenfall

Text und Fotos: SCU