Politisch-historische Exkursion des Sozialkunde-LK der MSS16 nach Berlin

Am 30.05.2018 machte sich der Sozialkunde-Leistungskurs aus der MSS16 des Cusanus-Gymnasiums gemeinsam mit den Lehrern John Mac Nelly und Franz-Josef Schmit mit dem Zug auf den Weg zum Flughafen Köln/Bonn, von wo aus wir mit leichter Verspätung in Richtung Berlin starteten.

Am Flughafen Schönefeld angekommen, begrüßte uns eine Vertreterin der Agentur „hauptstadtreisen.de“, die unseren Aufenthalt in der Hauptstadt organisiert hatte. Sie brachte uns zu unserer Unterkunft, dem „all in hostel“ im Bezirk Friedrichshain im Osten von Berlin. Eine erste Erkundung führte in die ehemalige Stalin-Allee, die heutige Karl-Marx-Straße. Hier entstanden mit Unterstützung der Sowjetunion so genannte „Wohnpaläste für Arbeiter“, mit denen die Überlegenheit des Kommunismus gegenüber dem Kapitalismus nach der Staatsgründung der DDR 1949 demonstriert werden sollte. Wegen Erhöhung der Arbeitsnormen bei gleichzeitig sinkendem Lohn und angesichts steigender Lebensmittelpreise streikten die Arbeiter und zogen schließlich am 17. Juni 1953 zum Haus der Ministerien in der Wilhelmstraße/Ecke Leipzigerstraße (heute Sitz des Finanzministeriums), immer wieder skandierend: „Kollegen reiht euch ein, wir wollen freie Menschen sein!“ Zudem wurden freie und geheime Wahlen gefordert. Wie auch in vielen anderen Städten und Orten der ehemaligen DDR wurden die Aufständischen brutal von der Volkspolizei niedergeknüppelt – 600 sowjetische Panzer und 20.000 Soldaten unterstützten die Niederschlagung der Proteste, an denen sich in der gesamten DDR rund 1,5 Millionen Menschen beteiligt hatten. Nach der SED-Propaganda waren die Unruhen vom „faschistischen Westen“ initiiert worden. Die Zahl der Opfer – man geht von 50 bis 125 Toten aus – blieb geheim. Bekannt ist heute, dass es zu 7.500 Verhaftungen und 1.200 Verurteilungen (darunter 18 Todesurteile) kam.

Besonderes Interesse fanden die großformatigen Graffitibilder, die auf der Hinterlandmauer (in einer Länge von 1.000 Metern erhalten) in der Mühlenstraße nach der Wende entstanden sind und heute als „Eastside Gallery“ einen besonderen Publikumsmagnet darstellen. Hier konnten wir auch sehen, wie im ehemaligen Mauer- Brachland noch immer rege gebaut wird.

Den restlichen Abend ließen wir gemütlich in einem Restaurant ausklingen.

Am Donnerstag ging es nach dem Frühstück zum Bundesrat, nachdem wir zuvor den Potsdamer Platz besichtigt hatten, der heute wie schon zu Zeiten der Weimarer Republik zu den verkehrsreichten Plätzen der Hauptstadt gehört. Im Bundesrat wurden wir durch eine freundliche Mitarbeiterin über die Geschichte des Gebäudes und dessen Umgestaltung informiert und mittels eines Rollenspiels, in dem jeder von uns eines der Bundesländer oder die Bundesregierung darstellte, wurden uns die Aufgaben des Bundesrats im Gesetzgebungsprozess vermittelt.

Nach einer Mittagspause folgte der Besuch des Reichstagsgebäudes so wie des Plenarsaals. In letzterem gab es einen weiteren Vortrag über die Geschichte des Hauses und Arbeitsweise des Parlaments. Da die gläserne Kuppel an diesem Tag wegen der großen Hitze für Besucher gesperrt war, konnten wir nur von der Besucherterrasse einen Blick über die Stadt Berlin werfen – über 30 Prozent der Stadtfläche sind Parks, Kanäle und Seen.

Am Abend waren wir Gäste in der Livesendung „maybrit illner“, wo wir den Polit-Talk (es ging um die BAMF-Affäre und Flüchtlingspolitik) hautnah mitverfolgen konnten.

Am Freitagmorgen besuchten wir die Gedenkstätte „Gleis 17“ am Bahnhof Grunewald. Von dort wurden ab dem 18.10.1941 Berliner Juden in die Gettos und Todeslager im Osten deportiert. Bis Kriegsende mussten über 50.000 Juden in über 180 Züge steigen, nachdem sie zuvor aus allen Stadtteilen zu Sammelpunkten gebracht und von dort auf offenen Lastwagen abtransportiert oder zu Fuß am helllichten Tag nach Grunewald getrieben worden waren. Am heutigen S-Bahnhof der Linie 7 wurde für jeden der von hier abgefahrenen Deportationszüge eine Stahlgussplatte entlang der Bahnsteigkanten in den Boden verlegt, auf der Datum, Personenzahl und Bestimmungsort eingelassen sind. Die Gestaltung des Mahnmals, das nach heftigen Auseinandersetzungen mit der Deutschen Bahn erst 1998 eingerichtet werden konnte, zeigt auch, mit welcher bürokratischen Akribie noch selbst in den letzten Kriegsmonaten Berlin „judenfrei“ (Goebbels) gemacht wurde – ein Denkmal von schlichter Ästhetik, aber mit hohem Informationsgehalt, das zu selten von Schüler- und Besuchergruppen aufgesucht wird.

Zum Mittagessen waren wir in die Landesvertretung Rheinland-Pfalz in den „Ministergärten“ (in der Nähe des Potsdamer Platzes) eingeladen. Hier erfuhren wir, in welcher Weise Landespolitik und Bundes- sowie Europapolitik ineinandergreifen. Von der Dachterrasse hatten wir eine eindrucksvolle Sicht auf das Stelenfeld des Mahnmals für die ermordeten Juden Europas, das Brandenburger Tor und die US-Botschaft neben dem Hotel „Adlon“. Auf der Terrasse selbst haben die Architekten den ehemaligen Mauerverlauf, wie auch sonst in der Stadt zu sehen, mit blauen Pflastersteinen markiert.

Nächste Station war das erst vor einigen Jahren errichtete Mahnmal für die in der NS-Zeit als „rassisch minderwertig“ verfolgten und überwiegend in Auschwitz-Birkenau ermordeten Sinti und Roma am Ende des Tiergartens. Zum Abschluss ging es in die Chaussee-Straße zum Brecht-Haus und dem angrenzenden Dorotheestädtischen Friedhof, auf dem zahlreiche Literaten (Brecht, H. Mann, Becher u.a.), Künstler, Philosophen (Hegel, Fichte) und Politiker begraben sind – zuletzt der 2015 verstorbene SPD Politiker Egon Bahr, der wesentlich zur Aussöhnung zwischen der Bundesrepublik mit Polen und der Sowjetunion („Ostverträge“) beigetragen hatte.

Am Samstag machten wir uns auf den Weg zum ehemaligen Staatssicherheitsgefängnis der DDR in Hohenschönhausen, in dem Menschen, die bloß ihre Menschen- und Bürgerrechte ausleben wollten und somit der DDR missfielen, gefangen gehalten und gefoltert wurden, bis sie psychisch gebrochen waren. In einer zweistündigen Führung erklärte uns eine Gedenkstätten-Mitarbeiterin die schrecklichen Umstände, unter denen die Menschen verschleppt wurden. Von dem Gefängnis selbst wusste zu DDR-Zeiten die Ostberliner Bevölkerung kaum etwas, da das Areal nicht einmal im Ostberliner Stadtplan eingezeichnet war und mit entsprechendem Personal und Grenzzäunen von außen als Militärsperrgebiet gekennzeichnet wurde.

Am Nachmittag folgte noch eine Erkundung der Spandauer Vorstadt, wo seit Ende des 19. Jahrhunderts Juden lebten, die vor Pogromen in Osteuropa geflohen waren. Nicht zu übersehen war, dass noch selbst im Jahr 2018 Einrichtungen der heutigen jüdischen Gemeinde Berlins – so etwa das Mendelsohn-Gymnasium in der Großen Hamburger Straße – von Polizisten wegen möglicher Anschläge bewacht werden müssen. Weitere Anlaufstationen in „Mitte“ waren der Platz der Bücherverbrennung mit dem Mahnmal der unterirdischen Bibliothek – durch eine Glasplatte sieht man leere Regale, in denen die 25.000 Bücher Platz finden könnten, die von der NS-Studentenschaft am 10. Mai 1933 verbrannt worden waren. Das von dem israelischen Künstler Micha Ullmann gestaltete Mahnmal erinnert an den barbarischen Zivilisationsbruch und die Autoren, die ihre Heimat verlassen mussten. Auf der im Boden eingelassenen Bronzeplatte ist das berühmte Zitat von Heinrich Heine von 1820 zu lesen: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.“ Im Treppenhaus der Humboldt-Universität sahen wir ein Zitat von Karl Marx, das einigen aus dem Unterricht bekannt war: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kommt darauf an sie zu verändern.“ Die Marx-Büste selbst ist nach der Wende verschwunden, die goldenen Lettern des Zitats stehen inzwischen unter Denkmalschutz, wie auch die Leuchtschrift der früheren Karl-Marx-Buchhandlung, die wir am ersten Abend in der heutigen Karl-Marx-Allee gesehen hatten. Zum Schluss ging es zum Marx-Engels-Denkmal, das etwas versteckt gegenüber dem Berliner Dom die Wendezeit überstanden hat. In unmittelbarer Nähe ist Berlins größte Baustelle: Tag und Nacht wird an der Rekonstruktion des früheren, in den 50er Jahren gesprengten Stadtschlosses, auch bekannt als ehemalige Residenz der Hohenzollern, gearbeitet, wo das zukünftige „Humboldt-Forum“ seinen Platz haben wird.

Der Sonntag beschäftigte alle mit der Rückreise. Auf dem Weg zum Flughafen erfuhren wir, dass unser Flug gestrichen wurde, weshalb wir nach vierstündigem Warten am Bahnhof in einen Zug nach Koblenz stiegen und mit einiger Verspätung, aber ziemlich erleichtert, um 22:15 Uhr in Wittlich ankamen.

Elisabeth Ruff