Gegen das Vergessen
Geboren im KZ – 80 Jahre später mahnt Thomas Gabelin gegen das Vergessen
Am Donnerstag, dem 8. Mai 2025, 80 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, war das Atrium des Cusanus Gymnasium mit rund 500 Schülerinnen und Schülern des Cusanus und Peter Wust Gymnasium Wittlich gefüllt. Der Anlass war kein gewöhnlicher: Thomas Gabelin, einer der letzten öffentlich aktiven Holocaust-Überlebenden, sprach an diesem symbolträchtigen Tag über seine eigene Lebensgeschichte – eine Geschichte, die im Grauen begann und heute ein kraftvolles Zeichen gegen das Vergessen ist.
Tobias Marenberg, Schulelternsprecher des CGW, war es ein großen Anliegen dieses wichtige Thema mit einem Holocaust überlebendem in die Schule zu bekommen und konnte damit sein weiteres Ehrenamt als Veranstaltungskoordinator des überregional bekannten Veranstaltungsprogramm “Kultur in der Wallfahrtskirche” (Klausen) verbinden. In diesem Zusammenhang kam auch der Wunsch der Kooperation mit dem PWG auf, um möglichst vielen Schülerinnen und Schülern Zugang zu diesem Thema mit einem Holocaust-Überlebendem zu ermöglichen. Die Schulleitungen (Michael Hansen/ CGW und Monika Metzen-Mirz) begrüßen sehr diese Idee.
Thomas Gabelin, geboren am 21. Dezember 1944 im Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt, kam in einer Welt zur Welt, die geprägt war von Tod, Elend und Verfolgung. Seine Eltern wurden als sogenannte „Halbjuden“ aufgrund jüdischer Großmütter nach Theresienstadt deportiert. Seine Mutter war hochschwanger, als sie das Lager erreichte. Dort erwartete sie kein Schutz, sondern unvorstellbare Bedingungen: Hunger, Kälte, Krankheiten und der ständige Tod.
Der kleine Thomas wurde in der sogenannten Hohenelber Kaserne – einer KZ-Klinik – geboren. Er war mit Läusen übersät, es gab kein Wasser, nur geschmolzenen Schnee zum Überleben. Von über 9.000 Kindern, die in Theresienstadt inhaftiert waren, überlebten nur rund 100. Thomas Gabelin war eines von ihnen.
Ein Leben, das Geschichte wurde
80 Jahre später steht dieser Mann auf der Bühne – ruhig, eindringlich, mit der Kraft eines Überlebenden. Sein Ziel ist klar: erinnern, mahnen, erzählen. Denn viele seiner Weggefährten leben nicht mehr. Er spricht für sie – und für die Millionen, deren Stimmen für immer verstummt sind.
Die Schülerinnen und Schüler erleben keinen Vortrag im klassischen Sinne, sondern ein eindringliches Zeitzeugengespräch. Thomas Gabelin berichtet von den letzten Tagen des Krieges, von Zügen, die nur noch Leichen ins Ghetto brachten, von den Ängsten seiner Eltern, von der Kindheit nach dem Krieg – und davon, wie schwer es ist, mit dem Unsagbaren zu leben.
Der 8. Mai – Tag der Befreiung, Tag der Mahnung
Die Wahl des 8. Mai als Veranstaltungsdatum war kein Zufall. Am 8. Mai 1945 kapitulierte Nazi-Deutschland – für viele Überlebende der Konzentrationslager war es der Tag der Befreiung. Für Thomas Gabelin bedeutete er: eine neue Chance auf Leben. Heute, 80 Jahre später, nutzt er diese Chance, um als Mahner der Geschichte aufzutreten.
„Es geht nicht um mich, es geht um das Erinnern“
Begleitet wurde Gabelin von seinem Freund Louis Pawellek (27), der auch den Abend anmoderierte. Die beiden verbindet eine enge Freundschaft über Generationen hinweg. Louis Pawellek, der Thomas Gabelins Geschichte seit Jahren dokumentiert, gab zu Beginn einen kurzen historischen Überblick über das Lager Theresienstadt.
Auch das gemeinsame Buch „Es gab mehr als nur Auschwitz“ wurde erwähnt – es spielt jedoch an diesem Abend eine untergeordnete Rolle. Im Mittelpunkt steht allein die Lebensgeschichte des Mannes, der es überlebt hat, im Schatten des Todes geboren worden zu sein.
Ein Abend, der bleibt
Die bewegende Veranstaltung in Wittlich war mehr als Erinnerung. Sie war ein Aufruf an die Gegenwart. Thomas Gabelin zeigte eindrucksvoll, warum Gedenken nicht nur Pflicht, sondern Verantwortung ist – besonders an einem Tag wie dem 8. Mai.
Denn solange Menschen wie er erzählen, ist das Vergessen keine Option.
Text: Tobias Marenberg, Fotos: Tobias Marenberg, Michael Hansen