Einer Zeitzeugin der NS-Zeit begegnen
Im Rahmen des internationalen Gedenktags an die Opfer des Nationalsozialismus konnten die Schüler*innen unserer 10. Klassen ein von der Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltetes Zeitzeugengespräch mit Frau Dr. Charlotte Knobloch (geb. 1932), viele Jahre Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, miterleben.
Nachdem Frau Knoblochs Mutter – die den jüdischen Glauben freiwillig nach der Heirat mit Charlotte Knoblochs Vater angenommen hatte und die von der Gestapo brutal dazu gezwungen wurde, ihn abzulegen – sich von Frau Knoblochs Vater, Fritz Neuland, hatte scheiden lassen, lebte Frau Knobloch zusammen mit ihrem Vater und ihrer warmherzigen Großmutter, die 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert wurde und auch dort später starb.
Heute noch könne sich Frau Knobloch an die Ausgrenzung und Ablehnung durch Nachbarskinder und bekannte Erwachsene in ihrer Kindheit erinnern, die nicht mehr mit ihr sprachen, sie nicht mehr mitspielen ließen, sie anspuckten und beschimpften, und an die Tränen ihrer Klavierlehrerin, die durch die Gestapo gezwungen wurde, das Erteilen von Klavierunterricht bei jüdischen Kindern, und somit auch bei ihr, zu unterlassen.
Nach der Deportation ihrer Großmutter 1942 suchte ihr Vater, der tagsüber zur Zwangsarbeit verpflichtet war, ein Versteck für seine Tochter, um sie vor der Deportation zu retten. Kreszentia Hummel, eine ehemalige Hausangestellte ihres Onkels, nahm sie auf und versteckte sie als „uneheliche Tochter“ auf ihrem Bauernhof in Franken, wo sie bis zur Befreiung lebte in der ständigen Angst um ihren Vater und um ihre fürsorgliche Großmutter. Für Frau Knobloch war „Zenzi“, wie sie Frau Hummel liebevoll nannte, ein Mensch, der „seine Menschlichkeit bewahrt“ habe. Sie sei für sie „ein Vorbild“, da sie ihr Leben für sie in große Gefahr gebracht habe.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wollte Frau Knobloch und ihr Mann, wie viele Überlebende des Holocausts, Deutschland verlassen und nach Amerika auswandern. Die Geburt ihrer Kinder verhinderte das unter anderem. Jahrelang waren jedoch die Koffer auf dem Dachboden gepackt.
Auf die aktuelle politische Situation angesprochen, bestätigte Frau Knobloch den zunehmenden Antisemitismus. Sie appellierte an die zuhörenden Schüler*innen, aus der Geschichte zu lernen und sich für einen mitmenschlichen Umgang und für die Demokratie stark zu machen, damit rechtsradikale Ideen und Parteien die Demokratie nicht zerstörten.
Gespräche mit Zeitzeugen über ihre Erlebnisse in der Zeit des NS-Regimes seien wichtig, weil der persönliche Austausch beeindrucke und geschichtliche Ereignisse greifbarer und eindrücklicher als im Geschichtsunterricht mache, so eine Schülerin nach der gewinnbringenden Veranstaltung mit Frau Knobloch.
Laut jüngsten Studien, etwa der der Jewish Claims Conference (https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/holocaust-wissen-jewishclaimsconference-100.html), nimmt insgesamt das Wissen über die NS-Zeit deutschland- und europaweit ab, sodass es umso wichtiger ist, dass Zeitzeugen ihr Erfahrungswissen nachfolgenden Generationen aus erster Hand mitteilen.
Text und Foto: SCU