Selbstwirksamkeit, Integrität, Persönlichkeit – Elternabend zum Thema “Pubertät”

Vor allem im Alter von 1-10 Jahren müsse ein Kind, so Dr. Richard Wagner, der Referent der gelungenen Veranstaltung, durch die Begegnung mit beiden Elternteilen die Erfahrung machen: “Mama und Papa finden mich total wertvoll und absolut in Ordnung, so wie ich bin.”
So, mit einer solchen Erfahrung im Gepäck, baue sich eine stabile Beziehungsebene zwischen Kind und Eltern auf, in der gerade auch das Bedürfnis des Kindes nach Selbstwirksamkeit befriedigt werden müsse. Bis etwa zum Ende des 4. Lebensjahres hätten Kinder zudem noch kein “eigenes Ich”, sie kopierten vielmehr das Verhalten der Eltern, die Vorbild und Orientierungsmaßstab sein müssten.
Die Art und Weise, wie Eltern mit ihrem Kind umgingen, wie sie es ansähen, werde unhinterfragt angenommen als eigenes Selbstbild. Dies zeige, wie unendlich wichtig gerade in dieser Zeitphase die Präsenz der Mutter und für Jungen gerade auch die des Vaters sei. Die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und die Erfahrung “Ich kann meinen Grundbedürfnissen trauen”, indem das Kleinkind manches altersgerecht schon selbst entscheiden kann (wie viel ich esse, was ich anziehe …) führe zu einer gelungenen Bindungsebene, die gerade bei Konflikten in der Pubertät positiv wirksam werde und über Konflikte hinweghelfe. Nichtsdestotrotz sollten Eltern in diesem Zeitfenster “voran gehen”, klare Erziehungsaussagen machen, dabei jedoch die altersgemäßen Bedürfnisse nach Nähe und Zuwendung akzeptieren und Angriffe auf die Persönlichkeit des Kindes (i.S. von: “Du schaffst das nicht in der Schule.” “Sei nicht so faul!” ”Ich mag dich nicht.” …) unterlassen, denn Kinder nähmen “alles in die Zukunft mit” an guter und schlechter Erfahrung und “jede Form der Exklusion”, jedes Ausgrenzen innerhalb der Familie “zerstör[e] das Selbstwertgefühl”, so der Referent.
Kinder wollten bis etwa zum 11. Lebensjahr mit ihren Eltern im Innersten kooperieren, selbst wenn es zu ihren Ungunsten ist, was sich in der Phase der Pubertät jedoch grundlegend verändere: Erfahrungen könnten reflektiert werden, auch der Aufbau und Umbau des Gehirns, gerade der für die Emotionalität verantwortliche Teil des Gehirn, das Limbischen System, führe dazu, dass Anforderungen von außen in Form von “Du sollst-“ oder “Du musst-Aussagen”, weil als Vorwurf verstanden, schnell als Angriff auf die eigene Integrität, eigene Persönlichkeit, die eigene Ganzheit angesehen würden. Letztendlich liege die Aufgabe der Pubertät gerade darin, sich von den eigenen Eltern zu trennen, die “Topadresse” werde die Clique, wobei der Faden bei gelungener Beziehungsarbeit in der frühen Phase im Normalfall auch in der Pubertät nicht abreiße.
Eltern sollten zunehmend die Rolle als “Begleiter” übernehmen. Dabei sei die zu empfehlende pädagogische Haltung die, sein Kind aufmerksam wahrzunehmen, so dass aufseiten des eigenen Kindes unzweifelhaft spürbar sei: “Ich bin nach wie vor das geliebte Kind meiner Eltern. Ich gestalte mein eigenes Ich, aber nicht allein gelassen.”
Das Zentrum gelungener Erziehungsarbeit sei in allen Erziehungsphasen, gerade aber in der Pubertät “dialogisches Kommunizieren”, bei dem eben ständiges ungebetenes Kommentieren und Bewerten unterlassen und dem eigenen Kind auf Augenhöhe begegnet werde. Falls gefragt, könnten und sollten Eltern ihren Standpunkt vertreten und erklären, denn das alte “Hafengefühl” – meine Eltern sind und waren immer für mich da und meinen es auch jetzt gut – sei nachwievor da und schaffe Vertrauen in und über die Pubertät hinaus.

Pubertaet_chart