Jagd nach Weisheit – Nikolaus von Kues (1401-1464) als Vordenker seiner Zeit

Nikolaus von Kues zeigte, so Dr. Marco Brösch, Bibliothekar am Cusanus-Stift in Bernkastel-Kues und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Cusanus-Forschung in Trier, ein großes Interesse für kosmologische, biologische, mathematische, juristische, historische und vor allem für philosophische und theologische Fragestellungen. Gerade letztere beschäftigten ihn ein Leben lang.

Als Kardinal gehörte er ab 1448 zusammen mit 25 anderen Kardinälen zum engsten Beraterkreis des Papstes: Hier war er ein krasser Außenseiter, ein „weißer Rabe“, ein „Mahner in der Wüste“, so der Referent, in einem Kreis von Menschen mit adliger Herkunft, die für seine Reformanliegen wenig Verständnis hatten, was ihn zunehmend frustrierte, wodurch er gerade als Bischof in Brixen sehr unglücklich agierte.

Als päpstlicher Legat, etwa 4500 km in kürzester Zeit zurücklegend, setzte er sich 1451/1452 auf einer Legationsreise in den deutschen Landen für die Reform der Kirche ein, etwa für die religiöse Unterweisung von Laien durch das Aufhängen von Gebetstafeln in Kirchen mit Texten wie dem „Vater unser“ oder den 10 Geboten. Seine Schrift „Reformatio generalis“ inspirierte den Erneuerungsprozesse der Kirche im Zuge der Gegenreformation beim Trienter Konzil im 16. Jahrhundert.

Gut vernetzt in einem Kreis von Humanisten, inspiriert u.a. vom mittelalterlichen Philosophen Raimundus Lullus und vom christlichen Autor und Neuplatoniker Pseudo-Dionysius Areopagita, entwickelte Nikolaus von Kues innovative, über seine Zeit hinausweisende Ideen:

  • das Wissen um die Begrenztheit der menschlichen Vernunft (die „docta ignorantia“, das „belehrte Nichtwissen“)
  • die Verdeutlichung seiner Gottesvorstellung von der „Einheit in der Vielheit“, vom Zusammenfall der Gegensätze in Gott, der „coincidentia oppositorum“, mithilfe von mathematischen und geometrischen Figuren oder der Vorstellung von der Quadratur des Kreises (1450)
  • die Betonung des Konsenses als vorherrschendes Verständigungsprinzip zur Herstellung einer „einhelligen Eintracht“ (concordantia) in menschlichen Gemeinschaften
  • die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Koran, was zu einer respektvollen Haltung dem Islam gegenüber führte
  • sein Bemühen um einen interreligiösen Dialog, der aufgrund einer gemeinsamen ethischen Basis, der Gottes- und Nächstenliebe, zwischen allen drei abrahamitischen Religionen möglich sei, was eine gewaltlose Verständigung („Gespräche, Respekt, Wettstreit der Liebe“ – so Herr Brösch) ermögliche; Gedanken, die Lessing zu seinem „Nathan der Weise“ (1779) und auch Giordano Bruno und Goethe nachweisbar inspirierten, sodass Nikolaus von Kues als Vordenker des Toleranzgedankens bezeichnet werden kann
  • seine bahnbrechenden, nur aufgrund theologisch-philosophischer Überlegungen abgeleiteten kosmologischen Vorstellungen: die Überwindung des geozentrischen Weltbildes, die Annahme, dass es im Kosmos viele Zentren, eine „Vielfalt von bewohnten und/oder unbewohnten Welten“ gebe; Ideen, die Kopernikus und Galilei beeinflussten und auch Albert Einsteins Relativitätstheorie ein stückweit vorwegnahmen
  • sein empirisches Vorgehen als Laie beim Sammeln von Daten, um Wissen über Naturvorgänge zu erhalten – Francis Bacon (1561-1521) und das Prinzip der „empirischen Datenerhebung“ antizipierend

Die Lehrerfortbildung ermöglichte einen gelungenen, weil umfassenden und fundierten Einblick in das Denken und die Rezeption unseres Namensgebers Cusanus. Herrn Dr. Brösch herzlichen Dank dafür!