Un/Scharf – GRENZVERSCHIEBUNGEN

Eindrücke zur Vernissage der Ausstellung des gemeinsamen Leistungskurses Kunst der Abschlussklasse am Cunsanus-Gymnasium und Peter-Wust-Gymnasium Wittlich am 03.12.25 im DIAN Izakaya auf dem Gelände des Museums Simeonstift in Trier.

Mit insgesamt sechzehn Schülerarbeiten aus dem gemeinsamen Leistungskurs des Cusanus-Gymnasiums und des Peter-Wust-Gymnasiums, beides Wittlicher Gymnasien, präsentierten sich am 03.12.2025 die Schülerinnen dem Publikum in der Cocktailbar DIAN Izakaya auf dem Gelände des Museums Simeonstift in Trier.

Der Titel „Un/Scharf“ deutet auf den verschwommenen Blick auf die Gegenwart hin, die sich uns durch die Medienflut oft entzieht. Diese Ausstellung zeigt Medienkritik, pointierte Einzelstandpunkte und Vergessenes. Der Titel spielt auch auf die kulinarische Seite des 18Zwo an, wo mildes und scharf gewürztes Essen nebeneinander existiert.  Die „Fusion-Cuisine“ spiegelt sich in den Werken wider: Schärfe in der Überzeichnung und harten Kontur des „Zungenkampfes“ oder der expressiven Farbigkeit großformatiger Farbfeldmalereien, Weichheit in der Teppicharbeit, die Ornamente der Welt vereint, oder im Stimmengewirr der Soundinstallation im Toilettenbereich.

Die Ausstellung vereint Werke unter einem Titel, aber nicht in Technik oder Sujet.  Sie umfasst Malerei, Mixed-Media, Collagen, dreidimensionale Bilder, einen Wandteppich und eine Soundinstallation. Die Werke zeigen Kreativität und Materialbeherrschung oder bewusste Missachtung dessen, sind aber mehr als Kunst aus der Schule. Sie sind Zeugnisse, Gedichte, Aussagen: kompromisslos, klar, mutig und optimistisch.

Der modern und großzügig gestaltete Raum war bereits vor dem Sektempfang fast überfüllt mit Freunden, Eltern, Kunstinteressierten, den Schulleitungen der beiden Gymnasien, Frau Metzen-Mirz und Herrn Hansen, Kolleginnen und Kollegen der beiden Gymnasien – und natürlich den dreizehn Schülerinnen des Leistungskurses Kunst unter der Leitung des Kunstlehrers Martin Schambach.

Die Arbeiten zeigten sich professionell kuratiert und so gut im DIAN Izakaya platziert, dass man sich die Bar kaum ohne diese Werke vorstellen kann. Auch ungeplante Bezüge, etwa zwischen einer Street-Art-Arbeit von Pauline Servatius und einem vorhanden  Neonschriftzug an der Wand („Schrei! Make It Right!) unterstreichen das und machen Lust, weitere dieser Verzahnungen zu finden. Und das kann man. So gibt es eine schlichte, aber nachdenklich stimmende Lichtinstallation von Maylin Dalinger, die mit schwarzem Schatten auf dem dunklen Grund der Stirnseite in den Bann schlägt und Assoziationen an eine vergangene Kindheit wachruft  – und gleichzeitig wie gemacht für diesen Platz wirkt. Eine Soundinstallation von Lilly Heinen im Sanitärbereich macht unausgesprochene Gedanken plötzlich hörbar und entführt den Besucher an diesem sonst stillen Ort in die lauten Köpfe Fremder, aufgenommen auf einer Schultoilette mit Hall und Wassergeräuschen. 

Auch in den Motiven finden sich Bezüge zu der Bar: da sind die Cocktail-Mäuschen von Mayliss Ingrassia, die mit kontrastreichen Farben selbstbewusste comicgleiche Gestalten rauchend und trinkend zeigen oder das kopflose Paar, das sich an einem Bartisch schweigend gegenübersitzt, zweisam in der Einsamkeit versunken („Kryptisch“, Suyana Jacoby). Ein Zungenkampf von Jenna Rankel (Titel „Der Kuss“) wirkt wie eine Studie einer hitzigen Diskussion vielleicht Betrunkener, die wohl irgendwann zwischen Erotik und Aggression enden wird, technisch auf wenige Striche reduziert, großformatig, überzeugend. Daneben Arbeiten, die andere Schwerpunkte bilden. Da geht es um die kritische Auseinandersetzung mit den Schönheitsidealen unserer Zeit wie im „Schaukasten“ von Julia Neukirch oder der frankensteinartigen Fratze von Jara Schmidt („Ja, wer-den?“), die jedoch, bei genauerem Hinsehen eine doppelt gut gemachte Collage mädchenhafter Gesichtspartien ist. Auch Rollenklischees und die Genderdiskussion werden anvisiert. Anastasia Gette konfrontiert mit feiner Pinselführung die Großmeister der Renaissance, Boticelli, Da Vinci und Dürer mit der Frage, ob sie denn bereit seien, ein Kind auszutragen. Die Antwort bleiben sie uns schuldig, die Frage macht aber deutlich, welchen Anteil die Kulturgeschichte an unseren Wertvorstellungen heute hat. Ähnlich geht  Noélie Kriebs mit dem Betrachter ins Gericht. Ihr „Erhobenes Schweigen“ fordert uns mit stechenden Blick auf, eine Stimme zu erheben, die das Bildpersonal nicht mehr hat. Die Richtung gibt die Künstlerin mit GPS-Koordinaten an und rückt damit nicht politische Konzepte sondern geographische Regionen ins Visier. Globaler agiert die Arbeit von Nisa Türkmen, die die identitätsstiftenden Ornamente der Weltkulturen in einem Bild miteinander verwebt und zeigt, wie Gemeinschaft über die gedachten Grenzen hinweg gelingen kann. In zwei weiteren Arbeiten geht es um Über- und Durchgänge. Die „Passage“ von Alina Getz versteckt das eigene Ich inmitten abstrakt-expressiver Formen und Farben und lädt uns ein, uns selbst darin zu entdecken. Ähnlich macht dies Antonia Lequen, die uns fast schmerzhaft die Augen für ein Arkadien öffnet, das verloren scheint und doch auch direkt vor uns liegen könnte. Würden wir nur die Augen öffnen.

Der Titel der Ausstellung spielt mit dem Begriff der Schärfe, die Arbeiten zeigen zuweilen verschwommene Eindrücke, was mal an der Malweise, mal an der Schichtung in Ebenen liegt. Dann wieder zeigen die Werke klare, fast schmerzhafte überscharfe Konturen. Es ist erfrischend, wie spielerisch die Schülerinnen mit dem Ort und letztlich mit uns als Besucher interagieren. Es freut auch, dass das DIAN Izakaya das Potential des Ortes mit der Öffnung für die Werke der jungen Künstler so gelungen zu vertiefen versteht.

Text: Martin Schambach, Fotos: Julia Sterk