Hochbegabung: Fluch oder Segen?

Stephan Kolbe, Dipl.-Psychologe am Zepf Landau und der dortigen Universität referierte zum Thema ‘Hochbegabung’: kompetent, anschaulich und belegt mit vielen Beispielen aus seiner Arbeit mit betroffenen Kindern und Jugendlichen. Zunächst definierte er den Begriff Hochbegabung: Etwa 1,5 % aller Jugendlichen seien hochbegabt. Von einer Hochbegabung spreche man bei Kindern mit einem ausgetesteten IQ von 130 Punkten und mehr, die Gleichaltrigen bezogen auf ihre kognitive Intelligenz um etwa 1-2 Jahre voraus seien. Ein Test zur Feststellung einer Hochbegabung sei dann wirklich gut, wenn mehrere Testbereiche (Sprache, emotionale Intelligenz, Motorik, besondere Begabungen) intensiv ausgetestet würden. Tests, die dem nicht ansprächen, seien das CPM- bzw. das SPM-Testverfahren.
Die Vorteile einer Hochbegabung lägen auf der Hand: Die betroffenen Jugendlichen zeigten eine schnelle Auffassungsgabe, eine hohe Transferleistung, ein breit angelegtes Allgemeinwissen, eine insgesamt hohe Gehirnaktivität, die allerdings oft dazu führe, dass hochbegabte Kinder Schwierigkeiten hätten einzuschlafen, da ein ‘Abschalten’ abends oft schwer falle.
Eltern hochbegabter Kinder hätten zudem mit Kindern zu tun, die viele Fragen stellten, bei denen sich rasch Langeweile beim Spielen einstelle, die immer wieder nach interessanteren Inhalten nachfragten und eintönige Aufgaben oft vehement ablehnten. Bereits in der Grundschule stelle sich, weil der Durst nach Wissen und Neuem kaum gestillt werden könne, eine “Konsummentalität” ein, die dazu führe, dass Lerninhalte quasi nebenbei “in den Lerneinkaufskorb” gepackt werden könnten, sodass Lernaufwand gar nicht oder kaum betrieben werden müsse, was in den weiterführenden Schulen oftmals, da das Lernen bisher nicht gelernt werden musste, zu Problemen führen könne.
Frustrationstoleranz, der Umgang mit den eigenen Emotionen müsse zudem, da gerade hier oft Defizite bestünden, gelernt werden, auch das Lernen selbst.
Oft lebten hochbegabte Kinder und Jugendliche nach der Maxime “Nur nicht auffallen!” gekoppelt mit einer Überanpassung, die dazu führe, dass hochbegabte Kinder froh seien, auch mal schlechte Noten zu schreiben. Völliges Unangepasstsein könne zudem beobachtet werden. Ohnehin nähmen hochbegabte Kinder die eigenen herausragenden Leistungen als geringfügig wahr, da die Anstrengung kaum spürbar sei. Tragisch wirke sich für diese Kinder jedoch aus, dass sie von keinem gleichaltrigen Kind wirklich verstanden würden, ein Austausch über Ideen und Gefühle mit anderen kaum möglich sei, was oft zu sozialer Isolation führe.
Herr Kolbe betonte, dass Hochbegabung keine Krankheit sei, sondern ein Geschenk für das Kind, für die Familie und für die ganze Gesellschaft. Hochbegabte Kinder seien auch keine besseren Kindern, sie brauchten aber, um sich harmonisch und glücklich entwickeln zu können, genauso wie jedes andere Kind auch, eine Förderung, die ihren Bedürfnissen gerecht werde.

Was können Lehrer und Lehrerinnen tun, was sollten sie über hochbegabte Kinder zudem wissen?

  • den Kindern Freiräume in den Lösungsmöglichkeiten eröffnen (!),
  • wissen, dass Hochbegabung nicht mit Hochleistung gleichzusetzen ist,
  • Kinder nicht auf ihre Hochbegabung ansprechen (!). Sie wissen oft selbst nicht, was das ist.
    akzeptieren, dass hochbegabte Kinder nicht perfekt reproduzieren könnten,
  • ein hochbegabtes Kind, das schnell mit seinen Aufgaben fertig ist, nicht als Musterbeispiel der Klasse vorführen.

Abschließend betonte Herr Kolbe, dass es d i e Hochbegabung nicht gäbe und auch d a s hochbegabte Kind nicht, sondern dass jeder Begabte einzigartig sei. Somit könne es auch nicht d e n Königsweg zur Förderung von besonders begabten Schüler und Schülerinnen geben.

Die anwesenden Eltern bedankten sich zum Schluss der Veranstaltung für den überaus gelungenen Vortrag und regten in der Diskussion durch die gestellten Fragen zu interessanten Vertiefungen des Themas an.

Auf folgende Links zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema verwies Herr Kolbe am Ende der Veranstaltung:

www.dghk.de
www.logios.de
www.scilogs.de/hochbegabung/
www.hbf-ev.de
www.mensa.de/
www.fachportal-hochbegabung.de/

Herr Kolbe herzlichen Dank für den inhaltsreichen Elternabend! Der Referent konnte erneut für einen Vortrag im Herbst 2016 zum Thema ‘LRS / Dyskalkulie’ gewonnen werden.

(Hinweis: Die dargestellten Informationen geben die Inhalte des Handouts von Herrn Kolbe eins zu eins wieder, das der Referent den anwesenden Eltern dankenswerterweise zur Verfügung stellte.)

Download des Handouts im pdf-Format

weiterführende Literatur:

Marilyn vos Savant (1995). Brain Building.

Thilo Fitzner, Werner Stark (2004). Genial, gestört, gelangweilt?

Monika Reinsch (2007). Hochbegabt oder gescheit gescheitert?

Thomas Trautmann (2005). Einführung in die Hochbegabtenpädagogik.

Haus, Held, Kowalski et al (2013). Praxisbuch Biofeedback und Neurofeedback.